Schönheit
In den letzten Wochen ist an verschiedenen Stellen die Frage nach der Schönheit aufgetaucht. Ist das eine Kategorie, die in meinem Projekt relevant sein sollte? Wenn ja, wie will ich Schönheit definieren?
Ich glaube, ich bin wegen des Opernstudiums noch relativ klassischen Schönheitsidealen verhaftet. Das ist auch das, was mich an Schönbergs Buch der hängenden Gärten fasziniert: Die Stimmschönheit, die über dem Tonchaos noch deutlicher wird. Ich glaube, dass ich das im Moment mit meinem Projekt auch anstreben möchte. Nicht nur – es ist wird auch sinnvoll sein, das „Schöne“ mit „hässlichen“ Klängen zu kontrastieren; aber diese Kategorie der Schönheit wird immer mitschwingen. Ich versuche es zu fassen als „Wohlgefühl beim Anhören“.
Mein Eindruck ist, dass genau dieses bei Neuer Musik oft fehlt. Ich vermute, dass das daran liegt, dass wir Zuhörenden die Regeln nicht verinnerlicht haben: Mozartmusik (nur als besonders plakatives Beispiel) kennen wir so genau (direkt, aber auch vermittelt über andere Musik, die Mozart „kennt“), dass wir seine Regeln intuitiv verstehen. Das ist der Grund, warum seine Musik für uns „Sinn ergibt“; wir sprechen diese Sprache. Die Regelsysteme der Neuen Musik müssen dem „Klassischen Regelsystem“1 gar nicht unterlegen sein, sie sind uns einfach unbekannt – und werden uns nie so intensiv bekannt sein wie dieses. Jedes Stück Popmusik, jeder Werbejingle wiederholt und festigt das Klassische Regelsystem. Und wenn wir dieses Regelsystem wiedererkennen, fühlen wir uns wohl.
Dennoch (zwei Seelen, ach) denke ich, dass wir darüber hinausgehen sollten. Vielleicht habe ich zu viel Adorno gelesen2. Nur begründen kann ich es nicht recht. Warum sollen wir über Schwanenseeballett hinausgehen und Alltagsbewegungen choreographieren? Wo ist der „künstlerische Wert“ von Baustellenlärm?
Wie können wir rechtfertigen, Kunst zu schaffen, die der Künstlerin mehr Spaß macht als den Zuhörenden?3 Das ist wahrscheinlich eine Frage, die in den letzten hundert Jahren hunderte Male beantwortet wurde; ich behaupte nicht, hier die große Weltweisheit zu offenbaren4, sondern protokolliere hier den Anfang einer Reise.
Zur Frage nach der Definition von Schönheit fällt mir gleich eine relativ einfache, lexikalische, ein: Schön ist etwas, das angenehme Empfindungen erregt. Schön im engeren Sinne ist etwas, das direkt durch sinnliche Wahrnehmung angenehme Empfindungen erregt. Diese engere Definition unterscheidet demnach zwischen einer guten Nachricht (mit erfreulichem Inhalt) und einer schönen Nachricht (mit erfreulicher Form). Schönheit ist also immer eine Aussage über Form: Die Wahrnehmung von Inhalt ist in meiner engeren Definition nur indirekt vermittelt. Und jetzt höre ich auf, denn ich klinge schon wie Kant.
Das sind meine eigenen Gedanken, die noch nicht durch intensivere Theorielektüre verfeinert oder gestört wurden. Ich kann mir vorstellen, dass sie nach einer genaueren Beschäftigung sehr trivial wirken – in diesem Fall ereignet sich wahrscheinlich ein neuer Blogpost.
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