Auf der Suche nach Performativität in der Künstlerischen Forschung
Performativität ist ein wahnsinnig interessantes Paradigma. Es geht darum, wie durch Handlungen Wirklichkeit geschaffen wird – nicht, indem etwas hergestellt wird, sondern indem die menschliche Lebenwelt gewissermaßen strukturiert wird. Ein klassisches Beispiel ist das Versprechen: Wenn ich sage “Ich verspreche dir, dass ich heute abend da bin.”, dann habe ich nicht nur etwas gesagt, sondern auch etwas darüber hinaus getan. Diese Äußerung kann nicht gelogen sein: Ich kann zwar dabei unehrlich sein, beispielsweise, wenn ich gar nicht vorhabe, das Versprechen zu halten, aber wenn ich dann abends nicht da bin, dann kann mein Gegenüber sich dennoch beschweren: “Aber du hast es doch versprochen!” – das kann ich nicht leugnen, ohne zu behaupten, ich hätte jene Worte nie gesagt. Solange die Worte so gesagt, aufgenommen und ernstgenommen wurden, wurde das Versprechen gegeben, ob nun mit lauteren Absichten oder nicht. Das Stück Wirklichkeit, das neu geschaffen wird, liegt in den Teilnehmenden, in ihrer Orientierung in der Welt.
Hier wird kein Gegenstand produziert, aber dennoch die Realität verändert. Das ist die Brücke, die ich zur Künstlerischen Forschung schlagen möchte: Auch dort wird nichts “produziert”, wie in herkömmlicher Forschung; ein numerischer Zusammenhang oder eine erörternder Text. Brad Haseman1 trifft diesen Punkt mit seinem Begriff der performative research sehr genau: “research outputs and claims to knowing must be made through the symbolic language and forms of their practice. […] the practice-led novelist asserts the primacy of the novel”. So verstanden hat Künstlerische Forschung kein Ergebnis, das sich separat vom Werk vollständig darlegen ließe, der schriftliche Teil kann ein Komplement sein, kann auch über die Künstlerische Forschung hinaus gehen, kann aber nicht alle Erkenntnisse (oder welchen Begriff auch immer für das durch Künstlerische Forschung entstandene Wissen – oder eher neu geschaffene Stück Wirklichkeit – gewählt werden soll) einfangen. Das bedeutet, dass sich diese Ergebnisse auch nur im Vollzug mitteilen lassen: Der Roman muss gelesen werden, das Bild betrachtet, die Performance erlebt. “The only mode of presentation for the emotional, connected, embodied living of experience is poetic. Here are my poems.” 2
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Haseman, Brad: A Manifesto for Performative Research, Media International Australia , Vol. 118, 2006, No. 1, SAGE Publications, S. 98-106. ↩︎
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Lincoln, Yvonna S. / Denzin, Norman K.: Introduction: Revolutions, Ruptures, and Rifts in Interpretive Inquiry, in: Turning Points in Qualitative Research. Tying Knots in a Handkerchief, Hrsg. dies., Walnut Creek 2003, S. 1–15. ↩︎