Oder so.

Ich muss mein Promotionsprojekt verändern. Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen kann ich auf absehbare Zeit nicht sinnvoll auf einer Bühne stehen. Das zerschießt mir aber leider die zentrale Idee meines Projektes, nämlich die Begegnung zweier Akteure auf der Bühne, die sich durch diese Begegnung gegenseitig Personenstatus verleihen – oder daran scheitern.

Nach einiger Überlegung und vielen alternativen Projektideen brachte Prof. Jan-Philipp Sprick auf, dass nach der noch gültigen Studienordnung auch ein rein wissenschaftlicher Dr. sc. mus. möglich ist. Das erscheint als die Variante, die für mich am leichtesten umzusetzen ist. Dafür braucht es aber noch mindestens zwei Dinge: ein neues Thema und mindestens eine neue Betreuungsperson. Diese Person muss ein*e Professor*in sein, “die ein wissenschaftliches Fach vertritt”, damit scheiden die allermeisten Professor*innen der HfMT leider aus. Aufgrund des anvisierten Themas würde sich eine Betreuung aus der Theaterwissenschaft lohnen, aber in der Theaterakademie der HfMT kenne ich kaum jemanden. Deshalb maile ich mich jetzt, der Sommerpause zum Trotz, durch alte und flüchtige Bekanntschaften mit der Frage, ob sie denn jemanden wissen oder jemanden wissen der jemanden weiß…

Das neue Thema

Ich hatte zunächst überlegt, noch möglichst viel von der bereits getanen Arbeit wiederzuverwenden, aber letztlich wäre das darauf hinausgelaufen, doch noch ein körperlich anspruchsvolles, weil praktisches, Thema zu haben, oder ganz andere Themengebiete miteinzubeziehen, wie beispielsweise Pädagogik.

Mit Prof. Nina Noeske bin ich schließlich darüber einig geworden, vor allem das Methodenkapitel, an dem ich auch in den letzten Monaten vor allem gearbeitet habe, zu behalten und zu erweitern; als eine Art Serviervorschlag für andere Promovierende. Das ist insofern attraktiv, als ich für die Verknüpfung von Künstlerischer Forschung und dem Performativitätsparadigma bisher recht wenig Literatur gefunden habe, obwohl ich den Eindruck habe, dass diese Verknüpfung sehr nahe liegt und auch fruchtbar sein könnte – eine waschechte Forschungslücke.

Eine naheliegende Brücke zwischen Performativität und Künstlerischer Forschung ist Performance-Kunst; oder noch weiter Kunst, die aufgeführt wird, also Musik und Theater; was wieder gut passt zum Rahmen des Dr. sc. mus.-Programms. In diesem Dreiklang werde ich mich in meiner Dissertation bewegen.

Passend zum Performativitätsparadigma, wo etwas zu sagen auch etwas tun bedeutet, möchte ich mit dieser Dissertation auch künstlerisch forschen: Meine künstlerische Situation ist von Abwesenheit geprägt (dabei lebt doch Performance so sehr von leiblicher Ko-Präsenz!) und genau diese Abwesenheit kann ich in der Dissertation untersuchen. Das möchte ich in einem eigenen Kapitel (oder sogar Abschnitt?) explizit machen: Inwiefern informiert diese Abwesenheit mein Schreiben? Kann ich das, was ich tue, als Performance in Abwesenheit interpretieren?

Mein weiteres Vorgehen

Liegen geht.

Ich habe in den vergangenen Monaten viel zum Thema gelesen und bereits einen Überblick, sowie einige Ideen, die gut ineinander passen. Im Moment arbeite ich an zwei Dingen: Ich bin auf der Suche nach einer weiteren Betreuung und ich schreibe an einem neuen Exposé. Mit einer möglichen Betreuungsperson würde ich wohl ersteinmal telephonieren und herausfinden, was sie von meinem Thema hält, dann mein Exposé anpassen und es ihr vorlegen. Falls das dann auf Zustimmung trifft, wäre der nächste Schritt, es dann der Kommission vorzulegen und den Themenwechsel gestattet zu bekommen – eventuell muss ich da dann bis in den Januar auf eine formale Zusage warten, aber ich hoffe, dass das früher geht.

Der nächste Schritt ist ein Stipendium: Wegen meiner Gesundheitsprobleme ist es schwierig, nebenher noch zu arbeiten. Das Exposé wird also auch für die Stipendienbewerbungen nötig sein. Wahrscheinlich brauche ich eine Zusage von der Kommission, bevor ich mich bewerben kann, aber das habe ich noch nicht geklärt.

Inhaltlich möchte ich jetzt erst einmal mehr zu aktuelleren Performativitätstheorien lesen; ich frage mich, ob es nach Fischer-Lichte noch weitreichend rezipierte Weiterentwicklungen gegeben hat. Dann wird Performance- und Theatertheorie sinnvoll sein, weil das der Themenkomplex ist, mit dem ich mich bisher am wenigsten beschäftigt habe.

Inspirationen, auf die ich warte

Ich fände es schade, wenn am Ende nur ein dickes Buch herauskäme. Eine Webseite oder ein Computerprogramm, das die Thematik künstlerisch aufbereitet, wäre schön; aber da fehlt noch eine Idee, wie das nahtlos in mein Konzept passt.