Enthusiasmus der Theorie
Brad Haseman beschreibt in seinem Manifesto of performative research1 seine Konzeption der künstlerischen Forschung als von einem “enthusiasm of practice”[S. 100] motiviert – im Gegensatz zu einer die Forschung leitenden Problemstellung. Dies hängt zusammen mit dem Primat des praktischen Anteils der künstlerischen Forschung: Praxis ist nicht nur Forschungsvorgang, sondern auch das Forschungsergebnis. Damit fallen bei Haseman drei Aspekte von Forschung in eins, die üblicherweise getrennt sind: Motivation, Vorgang und Ergebnis. Die Forschung muss nicht durch externe Faktoren angestoßen werden – auch wenn sie dennoch mit solchen in Verbindung stehen kann.[Vgl. S. 100]
Ich reibe mich an dieser Konzeption des durch Praxis angeführten Arbeitens. Einerseits löst sie ein Paradoxon der künstlerischen Forschung auf: Wie kann Kunst gleichzeitig ihre Autonomie behaupten und fremdmotivierte Forschung sein? Der Enthusiasmus der Praxis antwortete darauf: Die Forschung ist nicht fremdmotiviert, ihr Ergebnis, ihr Ziel ist sie selbst. Kunst entgeht dann der Gefahr, in der künstlerischen Forschung nur noch eine Methode zu sein, nur noch ein Mittel, das seine Qualität darin findet, besonders gut einem fremden Zweck zu dienen.
Andererseits entspricht diese Konzeption nicht immer meiner Vorgehensweise des Kunstschaffens – ganz besonders nicht in den Situationen, die ich als “künstlerische Forschung” bezeichnen würde. Die interessantesten Momente für mich sind die, in denen die Theorie leitet – nicht unbedingt in Form einer Forschungsfrage, eines strategisch-wissenschaftlichen Vorgehens, sondern in Form eines Enthusiasmus der Theorie. Wie anhand von Kunst und künstlerischen Auseinandersetzungsweisen Antworten gefunden oder gegeben werden können, nicht unbedingt auf Fragen, die sich vorher schon gestellt haben.
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Haseman, Brad: A Manifesto for Performative Research. In: Media International Australia 118.1 (2006), S. 98–106. ↩︎